Dass das Gefängnis in Albertslund irgendwann schließen wird, war uns lange bekannt, aber als am 1. April diesen Jahres die Meldung verbreitet wurde, dass Vridsløselille zum Verkauf steht, klang das für viele wie ein Aprilscherz.
Fakt ist, das knapp 160.000 qm große Grundstück wurde am 1. April 2019 von der Gefängnisfürsorge an die staatlichen Immobilien-Aktiengesellschaft Freja Ejendomme A/S übertragen. Diese Firma hat die Aufgabe nicht mehr benötigte Immobilien des Staates mit höchst möglichem Gewinn zu veräußern, darunter zählen z.B. Leuchttürme, Krankenhäuser, Kasernen, aber eben auch Gefängnisse. Dabei ist es keineswegs so, dass man nun auf einen einzigen Käufer wartet. Vielmehr wird jetzt ein Konzept erarbeitet, das dann mehrere mögliche Investoren umsetzen sollen.
Nein, wir haben es noch nicht ins Gefängnis geschafft. Die Fotos wurden uns von Freja zur Verfügung gestellt. (Fotos: Kontraframe)
Das muss aber nicht immer nach Plan laufen, wie das Beispiel eines Gefängnisses in Horsens zeigt. Der Investor konnte das Projekt nicht stemmen und letztendlich ging das Gebäude zurück an die Kommune. Die schaffte es eine Kultur- und Eventlocation zu realisieren mit Museum, Hotel und vielen Bürovermietungen. So ein Konzept könnten wir uns auch für Albertslund sehr gut vorstellen.
Das Gefängnis Vridsløselille mit dem sehr markanten Haupteingang und dem Kirchturm im Hintergrund ist spätestens seit den Olsenbandenfilmen jedem Dänen und eben auch den vielen Deutschen bekannt. Durch das markante grüne Tor kam Egon nach verbüßter Haftstrafe geschritten, fast immer mit einem Plan unter dem Arm und wurde von seinen Kumpanen Benny und Kjeld mit einem alten Straßenkreuzer abgeholt. Kein Wunder also, dass der Ort zu den beliebtesten Drehorten unter den Fans gehört und jedes Jahr sogar einige Busreisen hier einen kurzen Zwischenstopp einlegen. Allein das kleine Gefängnismuseum, von dem noch nicht viele Fans wissen, empfängt über 800 Besucher pro Jahr.
(Foto: Paul Wenzel)
Dabei war es immer riskant, sich vor dem ehemaligen Hochsicherheitsgefängnis zu fotografieren. Hinweisschilder untersagten den Zutritt des Geländes für unbefugte Personen und Fotografieren war natürlich strengstens verboten. Daran gehalten haben sich die wenigsten, auch wenn viele eine Belehrung durch das Personal bekamen. Wir waren in den Jahren, als es noch in Betrieb war, zwei Mal direkt am Gefängnis und wurden jedes Mal weggeschickt.
Die einzig legale Möglichkeit bestand vom Zaun des Roskildevejs aus oder beim Besuch des Gefängnismuseums, dass sich unweit des Portals befindet. Jetzt ist also die perfekte Zeit gekommen, um sich ganz ohne Stress vor dem Gefängnis zu fotografieren. In das Gebäude selbst oder durch das grüne Tor kommt man aber weiterhin nicht.
(Fotos: Paul Wenzel und Steffen Paatz)
Da die Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehen und in Dänemark historisch wertvolle Gebäude gern mal zugunsten von Beton- und Glasbauten abgerissen werden, haben wir uns von Anfang an für einen Erhalt stark gemacht. Bereits seit 8 Jahren reden wir auf die Kommune ein und haben jetzt alle Kräfte gebündelt. Gemeinsam mit dem Gefängnismuseum und einem Verein, in dem sich die angrenzenden Hausbesitzer zusammengeschlossen haben, kämpfen wir für den Erhalt. Die Kommune und Freja zeigen sich auf jeden Fall schon mal gesprächsbereit.
Für die Kommune ist das Grundstück vor allem auf Grund seiner riesigen Fläche in zentraler Lage mit kurzem Weg zum Bahnhof interessant. Laut Bürgermeister Steen Christiansen ist es das größte Stadtentwicklungsprojekt in Albertslund seit den sechziger und siebziger Jahren. Man wünscht sich hier Wohnungen, Gewerbe und Ausbildungsstätten.
Knapp 160.000 qm Grund warten auf eine neue Bestimmung
Freja hat bisher noch keine Kaufpreise veröffentlicht, aber laut Grundbucheintrag von 2017 beträgt die letzte Schätzung für das gesamte Areal 50 Mio. Kronen, das entspricht 6,7 Mio. Euro. Die ehemaligen Mitarbeiterhäuser im nördlichen Teil wurden zwischen 2013 und 2017 alle an Privatbesitzer verkauft und gehören nicht mehr zum Gefängnisareal. Die Wohnhäuser im südwestlichen Teil standen hingegen, aus Sicherheitsgründen auf Grund ihrer Nähe zur Gefängnismauer, nie zum Verkauf und stehen seit einigen Jahren leer.
Die wichtigsten Ereignisse in einer Chronik zusammengefasst:
1859 nahm das Staatsgefängnis Vridsløselille seinen Betrieb auf, basierend auf dem sogenannaten "Philadelphia-System" mit isolierter Einzelhaft. Seinen Namen hat die Anstalt dem gleichnamigen Dorf zu verdanken, welches heute Teil der Albertslund Kommune ist. In der Anfangszeit lag der Gebäudekomplex weit außerhalb auf einem Feld, heute gehört es zum Zentrum von Albertslund.
Von 1968 bis 1981 diente das Gefängnis als Kulisse der Olsenbandenfilme.
Am 27. August 1995 gelang einer der spektakulärsten Gefängnisausbrüche in der Geschichte Dänemarks. Mit Hilfe eines Radladers wurde ein 13 Meter großes Loch in die 6 Meter hohe Gefängnismauer gerissen und 13 Gefangene konnten flüchten. Der Coup war genaustens geplant. Der Großteil der Kopenhagener Polizei war an diesem Tag mit einem Fußballderby beschäftigt und auf dem Gefängnisgelände fand unweit der Mauer ein Grillfest mit 20-30 Gefangenen statt. In dieser Sektion waren nur 3-4 Wachleuten und die standen zu dem Zeitpunkt 100 Meter entfernt. Sogar die Presse hatte vorher einen Tipp bekommen und so gibt es sogar Videoaufnahmen.
Ausführlicher Beitrag von DR vom 28.8.1995: www.youtube.com
Als Konsequenz des Ausbruchs wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und ein zusätzlicher Zaun vor der Gefängnismauer errichtet.
Auch in der Wanderausstellung zur Olsenbande wurde das Thema aufgegriffen. Erstmals zeigte das Filmmuseum Potsdam 2018 einen Ziegelstein von damals. Die Leihgaben des Gefängnismuseums sind auch aktuell in Senftenberg zu sehen.
Ein Ziegelstein der Gefängnismauer (Foto: Paul Wenzel)
Am 21. Dezember 2004, dem Geburtstag von Egon-Darsteller Ove Sprogøe, wurde ein Teil der Straße Fængselsvej, die sich direkt vor dem Gefängnis befindet, in "Egon Olsens Vej" umbenannt. Die Idee dazu wurde bereits kurz nach dem Tod von Ove Sprogøe am 14. September 2004 von Gefangenen und Angestellten geäußert.
Newsartikel: "Egon Olsens Vej" Fotos von der Umbenennung
(Fotos: Gerhard Westphal)
2009 wurde zum 150. Geburtstag des Vridsløselille Staatsgefängnisses ein kleines Museum eingerichtet. Die Ausstellung zeigt die Geschichte, spektakuläre Fluchtversuche und Produkte der Gefängnisproduktion. Die Ausstellung wird im Ehrenamt von ehemaligen Angestellten betrieben.
Facebookseite des Museums: www.facebook.com/MuseetomSV/
(Fotos: Paul Wenzel)
Bei unserer Kopenhagen-Reise im Oktober 2011 wurden wir am Gefängnis von einer Mitarbeiterin freundlich auf das Fotografierverbot hingewiesen. Sie erzählte uns außerdem, dass das Gefängnis 2015 geschlossen werden soll, da es nicht mehr den Anforderungen entspricht. Stattdessen soll ein völlig neuer Ersatzbau auf Falster entstehen. Unverzüglich schrieben wir eine E-Mail an den Bürgermeister Steen Christiansen. Der konnte aber noch nichts dazu sagen, da es noch zu früh war, um über eine zukünftige Verwendung der Gebäude zu reden. Unsere weiteren E-Mails in den Jahren 2014, 2015 und 2016 blieben hingegen unbeantwortet.
Im Januar 2015 gaben Gefängnisfürsorge und Justizministerium bekannt, dass das Gefängnis zum Jahreswechsel 2016/2017 schließen soll. Die Ministerpräsidentin Dänemarks Mette Frederiksen, die damals in der Funktion als Justitzministerin tätig war, sagte bei einem Besuch in der Haftanstalt: "Das Gefängnis ist ja eine Art nationales Kleinod - und durch die Olsenbandenfilme wurde es zu einem gemeinsamen Kulturschatz."
Am 29. Dezember 2015 wurde das Gefängnis überraschend und weit vor dem Zeitplan geschlossen. Es zeigte sich erneut, dass der Bau nicht mehr zeitgemäß war und die Probleme mit der Sicherheit häuften sich. Es waren in der Vergangenheit nicht nur Mobiltelefone im Umlauf, sondern auch Kopien der Gefängnisschlüssel. Dazu kam noch, dass der Gefängnischef kündigte und es wegen der ungewissen Zukunft auch immer schwieriger wurde Mitarbeiter zu finden.
Die Gefangenen wurden auf andere Gefängnisse umverteilt, wobei von den 130 Insassen 40 im Behandlungstrakt vorerst zurückblieben.
Auf Grund des großen Flüchtlingsstroms nach Skandinavien wurde die freie Kapazität genutzt, um vorläufig 80 Plätze für abgewiesene Asylanten einzurichten. Bereits seit 2014 gab es dort eine Ausreiseabteilung, wo Ausländer auf ihre Abschiebung warteten.
Am 20. Januar 2016 mussten auch die letzten Insassen des Behandlungstrakts das Gefängnis verlassen. Der Schwerpunkt wurde nun komplett auf die Flüchtlinge gelegt und es sollten bis zu 1000 Plätze eingerichtet werden, notfalls mit Zelten im Hof.
Die geplante Abwicklung des Gefängnisses wurde dadurch auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Für den Bürgermeister Steen Christiansen war das sehr ärgerlich, da die Stadtentwicklungspläne bereits soweit fortgeschritten waren, dass ein Aktenstück zur Abstimmung im Finanzausschuss des Parlamentes vorlag. Dabei sollte beschlossen werden, dass die staatliche Immobiliengesellschaft Freja die Abwicklung übernimmt.
Am 1. Oktober 2016 haben wir im Rahmen der ersten Fanclub-Busreise nach Kopenhagen auch einen Abstecher zum Vridsløselille Gefängnis gemacht. Einmal direkt vor dem grünen Tor zu stehen, aus dem Egon immer rauskam, war für die meisten ein echter Höhepunkt. Auch die ehemaligen Gefängnismitarbeiter empfingen uns herzlich in dem kleinen Museum. Seitdem sind wir auch in laufendem Kontakt und tauschen uns über die Zukunft von Vridsløselille aus.
Reisebericht: Kopenhagen-Reise 2016
(Fotos: Paul Wenzel)
Im Oktober 2016 beauftragte der zukünftige Eigentümer Freja Ejendomme gemeinsam mit der Albertslund Kommune vier Architektenbüros damit Entwürfe für die Transformation vom Gefängnisgelände hin zu einem offenen und neuen Stadtviertel zu erarbeiten.
Das sind die Vorschläge:
Den panoptiske have (Der panoptische Garten) von Norrøn
Portbyen (Stadt der Tore) von Atelier Lorenzen Langkilde
En mesterplan (Ein Meisterplan) von Tredje Natur
Transformation af historien (Transformation der Geschichte) von Bertelsen of Scheving
Die Entwürfe können hier eingesehen werden: albertslund.dk
Am 5. Januar 2018 veröffentlichte Bürgermeister Steen Christiansen einen offenen Brief an das Justitzministerium. Er war frustriert, dass mit dem Projekt, auf Grund einer geringen Anzahl von im Gefängnis untergebrachten Flüchtlingen, nicht begonnen werden konnte. Das Gelände solle endlich freigeben werden.
Offener Brief: www.ft.dk (PDF)
Am 1. Februar 2018 wurde das Gefängnis durch die Kriminalfürsorge stillgelegt und die restlichen 40 Flüchtlinge auf andere Einrichtungen verteilt werden. Das Personal wechselte zum Teil zum neu eröffneten Storstrøm Gefängnis auf Falster. Das Gelände in Albertslund wurde aber weiterhin als Reserve vorgehalten für den Fall, dass der Flüchtlingsstrom wieder zunehmen sollte.
Am 13. Oktober 2018 statteten wir dem Gefängnis erneut einen Besuch ab im Rahmen der zweiten Fanclub-Busreise.
Reisebericht: Kopenhagen-Reise 2018
(Fotos: Paul Wenzel)
Ende März 2019 erhielt das Gefängnismuseum von der Gefängnisfürsorge einen Brief mit der Aufforderung sämtliche Räumlichkeiten bis zum 1. Mai zu räumen. Uns hatte diese Nachricht, genau wie das Museum, sehr überrascht und verärgert. Natürlich haben wir sofort unsere Unterstützung angeboten, um die Ausstellung zu erhalten.
Am 1. April 2019 wurde bekanntgegeben, dass das Gefängnis verkauft werden soll. Die Gefängnisfürsorge hatte zusammen mit dem Justizministerium beschlossen, dass das Gelände nicht länger benötigt wird. Die Meldung sorgte für allerlei Schlagzeilen im In- und Ausland und schnell wurden die Rufe der Olsenbandenfans nach eine Rettungsaktion laut.
Ab diesem Tag ging das rund 158.000 qm große Gelände in das Eigentum der staatlichen Immobilien-Aktiengesellschaft Freja Ejendomme A/S über. Diese Firma hat die Aufgabe nicht mehr benötigte Immobilien des Staates mit höchst möglichem Gewinn zu veräußern, darunter zählen z.B. Leuchttürme, Krankenhäuser, Kasernen, aber eben auch Gefängnisse.
Dabei ist keineswegs zu erwarten, dass sich sofort ein Käufer meldet und das gesamte Gefängnisgelände kauft. Vielmehr wird es darauf hinauslaufen, dass es ein mehrjähriger Prozess wird, mit mehreren Teilgrundstücken, wo nach einem Bebauungsplan entweder Gebäudeteile saniert, abgerissen oder Freiflächen neu erschlossen werden.
Freja rechnet damit, dass es noch 2-4 Jahre dauern wird, bis man Veränderungen auf dem Gelände sehen kann. Unabhängig davon, wofür die Immobilie später genutzt wird, sollen zunächst recht umfangreiche Renovierungsarbeiten stattfinden. Zunächst soll aber untersucht werden, welche der Gebäude überhaupt für das neue Projekt verwendet werden können.
Auch wenn das Vridsløselille Gefängnis nicht mehr zur Gefangenenfürsorge gehörte, wurden Teile des Gebäudes bis zum Mai 2019 zur Ausbildung von sogenannten Transportpolizisten genutzt.
Am 5. April 2019 haben wir uns mit dem Kulturbürgermeister im Rathaus Albertslund zusammen mit Henny Mesnickow vom Gefängnismuseum getroffen. Es war ein sehr offenes und freundliches Treffen. Wir haben nochmal deutlich gemacht, welche Bedeutung das Gefängnis hat und das zumindest das Portal und der Egon-Olsen-Vej unbedingt erhalten werden müssen. Sehr wichtig war uns auch, dass für das Museum eine Lösung gefunden wird.
(Foto: Paul Wenzel)
Einige Tage später folgte der Bürgermeister Steen Christiansen der Einladung, das Gefängnismuseum persönlich zu besuchen. Gemeinsam mit Freja wurde daraufhin beschlossen, dass das Museum vorerst bleiben darf.
Der Bürgermeister Steen Christiansen zeigte sich in der Zeitung Albertslund Posten offen für unsere Unterstützung aus Deutschland. Er meinte auch, dass die Fassade erhalten werden muss: "Ich würde es bedauern, wenn das grüne Tor entfernt werden würde. Das würde einen nationalen Protest auslösen".
Am 12. Mai 2019 waren wir erneut vor Ort, aber diesmal mit einer kleinen Delegation des Fanclubs. Diesmal hatten wir uns mit Henrik Seidenfaden und Lena Corselli vom Hausbesitzerverein Vridsløselille Midt getroffen.
Die beiden hatten uns kontaktiert, um auch die Anwohner in die Umgestaltung mit einzubringen. Ihr Grundstück grenzt unmittelbar an das Gefängnis und sie möchten u.a. verhindern, dass alle Grünanlagen mit Hochhäusern zugebaut werden. Die beiden haben sich bereits sehr intensiv mit den Gebäuden beschäftigt und konnten uns bei einem Rundgang allerlei erzählen.
Henrik wohnte schon als Kind am Gefängnis und konnte sogar bei einigen Filmen die Dreharbeiten beobachten. Auch ein Journalist der Albertslund Posten war vor Ort und brachte die Geschichte sogar auf die Titelseite der lokalen Wochenzeitung.
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